Artikel aus Metamorphose / Bauen im Bestand.
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Raus aus dem Verfall
Intelligentes Zwischennutzungskonzept
Fast hat man sich schon an zugenagelte Fenster und
Türen im Erdgeschoss gewöhnt. Auch an Gras, das aus Regenrinnen
sprießt, an bröckelnde Fassaden und rostige Balkone. In Leipzigs innenstadtnahen
Wohnvierteln sind viele Häuser aus der Gründerzeit
erhalten geblieben – und viele stehen leer: Fast jeder vierte Quadratmeter
ist unvermietet. Für die Eigentümer lohnt es sich kaum noch,
die Bauten klassisch zu sanieren, denn die Wahrscheinlichkeit,
Mieter zu fi nden, ist gering, da der Markt mit günstigen Wohnungen
überschwemmt ist. Wenn das zu sanierende Gebäude dann auch
noch in einem ungünstigen Stadtteil liegt, bleibt dem Besitzer fast
nichts anderes übrig, als Fenster und Türen zu verrammeln. Zu hoffen,
dass das Dach möglichst lange dicht hält und dass doch noch
bessere Tage kommen mögen. Aber wenn der Zahn der Zeit zu lange
am Backstein nagt, bleibt irgendwann nur der Abriss. Was tun in dieser
prekären Lage, unter der auch das Stadtbild leidet?
Der Verein Haushalten e.V. hat ein Konzept entwickelt, das zur
Minderung des Leerstands beitragen könnte: die so genannten Wächterhäuser.
Das Motto lautet: „Hauserhalt durch Nutzung“. Der Verein
vermittelt dem Eigentümer einen Mieter, der die Räume gratis nutzen
kann und lediglich die laufenden Betriebskosten zu tragen hat. Der
Eigentümer wiederum kann durchatmen. Er sieht den drohenden Verfall
gestoppt. Die neuen Mieter renovieren in Eigenregie und arrangieren
sich mit Kohleöfen und Etagentoiletten. Sie sind Hauswächter,
schauen nach dem Rechten, kontrollieren das Dach. Durch ihre bloße
Anwesenheit wird der Vandalismus in seine Schranken verwiesen.
Belohnt werden sie dafür mit großem Gestaltungsspielraum, ausreichend
Platz und geringen Kosten – selten mehr als 150 Euro für 100
Quadratmeter.
Ein Vertrag regelt das Verhältnis zwischen Hauseigentümer und
Verein. Der Eigentümer verpfl ichtet sich in einer „Gestattungsvereinbarung
Haus“, sein Gebäude für mindestens fünf Jahre zur Verfügung
zu stellen und für Strom und funktionstüchtige Sanitäranlagen zu
sorgen. Haushalten e.V. berät die Eigentümer im Gegenzug bei der
Beantragung von Fördermitteln zum Erhalt des Gebäudes und bringt
sie mit geeigneten Hauswächtern zusammen.
Der Verein achtet darauf, dass die neuen Nutzer auch zu einer
Belebung des Stadtteils beitragen. Zum einen schlägt er vor allem
gemeinnützige Vereine als Mieter vor; mit Ausstellungen, Workshops,
Diskussionen, aber auch durch Ateliers und normale Wohnungen sollen
diese den Stadtteil mit neuem Leben füllen. Zum anderen wählt
Haushalten e.V. vor allem Gebäude an städtebaulich exponierten Stellen
aus und zeigt deren neue Nutzung mit gelben Fassadenbannern
an, damit das Wirken der Initiative möglichst öffentlichkeitswirksam
ausstrahlt.
Bisher gibt es sieben solcher Wächterhäuser in Leipzig. Weitere
sind geplant. Die Idee kommt ins Rollen, mittlerweile auch außerhalb
der Stadtgrenzen. So sind Chemnitz und Halle daran interessiert, das
Konzept der Wächterhäuser zu übernehmen. |